Bildungsfestival Septré 2022: ein Erfahrungsbericht

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Was erwarte ich auf einem freien Bildungsfestival? Ursprünglich so hört man, soll dieses Festival entstanden sein, weil freilernende Kinder sich miteinander treffen wollten, um miteinander zu sein, zu feiern und Zeit zu verbringen. Genau das war auch unsere Erwartung: Menschen zu treffen, die sich um das Thema freie Bildung und freies Lernen kümmern wollen, sich austauschen und liebevoll miteinander ein paar schöne Tage verbringen.

Das Festival war wirklich liebevoll gestaltet. Mehrere Bühnen waren aufgebaut die Szene war bunt beleuchtet, gerade abends ein wundervoller Anblick und so fühlten wir uns zunächst mal wohl und willkommen, trotz des Regens, der bei unserem Ankommen in Strömen das Land befeuchtete.

Schon im Vorfeld

hörten wir, dass sich die Gruppe, die dieses Festival veranstaltet, getrennt hat. Stein des Anstoßes war demnach der Vortrag eines Journalisten von der taz, der dort auf der Hauptbühne zum Thema “Unterwanderung von rechts” sprechen sollte. Für uns war das kein Ausschlusskriterium, weil wir davon ausgingen, dass hier in Freiheit und gemäß einer freiheitlichen Bildungsoffensive auch frei diskutiert werden darf. Außerdem war uns nicht klar, warum sich an Hand dessen Streit entwickelt hatte. Wir haben selbst die Erfahrung gemacht, dass das, was man so hört, nicht unbedingt das ist, was tatsächlich geschieht. Das Festival hatte im Vorweg einen Code auf Conduct veröffentlicht, in dem bestimmte Themen markiert waren die deutlich ausgeschlossen werden sollten aus der Diskussion. Dazu gehörten vor allem LBGBTQIA+-Feindlichkeit, Demokratiefeindlichkeit und “Verschwörungserzählungen”. Das fand ich zwar seltsam, ging aber davon aus, dass solche Vorankündigungen gemacht werden, weil entsprechend schlechte Erfahrungen bei vergangenen Veranstaltungen gesammelt worden sein könnten.

Der Vortrag des Rechtsextremismus-Experten ließ dann auch viele Fragen offen, besonders in Hinblick darauf, was denn aus seiner Expertise heraus der Unterschied zwischen linksextremen und rechtsextremen Positionen sei. Mindestens 5 mal wurde er dieses von unterschiedlichen Seiten gefragt, und offensichtlich schien im Publikum keine Klarheit durch seine Antworten zu entstehen.

Das Thema Rechtsextremismus

… war also spürbar im Raum, und fand natürlich in 1:1-Gesprächen Raum. In einem Gespräch mit einer jungen Frau sprach ich neben anderen Themen über die Notwendigkeit, sich mit geschichtlichen Themen neu auseinandersetzen zu müssen. Sie fragte mich darauf, ob ich etwa den Holocaust leugnen wolle. Ich sagte ihr, ich kenne die einschlägige Geschichtsdarstellung dazu und außerdem auch Quellen, die eine neue Untersuchung oder Bewertung mindestens interessant machten.

Das war der Frau bereits zu viel und sie forderte mich auf, mich von jeder Holocaust-Leugnung zu distanzieren. Ich erwiderte, dass ich nicht hier auf dem Bildungsfestival sei, um Glaubensbekenntnisse abzugeben, sondern die Freiheit von Bildung und Forschung zu vertreten. An dieser Stelle kam das Awareness-Team mit ins Gespräch. Zunächst verlief das Gespräch noch relativ friedlich und endete damit, dass das Awareness-Team auf den Code of Conduct referenzierte. Etwas später, wir waren gerade am Stand des BVNL, kam das Awareness-Team mit Verstärkung zu uns, und konstatierte ein weiteres Mal, dass rechts-Positionen hier auf keinen Fall geduldet würden, und lehnten jedes Gespräch mit “keine Diskussion” ab.
Wir beantworteten den Disput mit: “Dann ist ja alles gut.”

Am Abend

… wir waren gerade dabei, uns den Aufbau einer weiteren vielversprechenden Band auf der Bühne anzuschauen, kamen selbige ein weiteres Mal auf uns zu, sie wären jetzt doch bereit für einen Austausch. Unsere Bitte damit 1h zu warten, bis das Konzert vorbei sein würde, wurde abgewiesen mit den Wort: “Das ist keine Bitte, wir sprechen jetzt!”. Überrascht von der weiteren Zunahme der Aggression, wurden wir zu unserem Camp eskortiert.

Dort setzen wir uns und nahmen uns etwa eine Stunde Zeit, in Ruhe über das Vorgefallene zu sprechen. Das Gespräch hatte viele Phasen, die ein seltsames Phänomen beinhielten: “Es geht nicht nur um das was ihr sagt, sondern auch um das, was ihr nicht sagt”. Dieses Statement bereitete mir Bauchschmerzen. So eine Art erzwungenes Glaubensbekenntnis erinnerte mich an meine Erfahrungen mit der Inquisition. Immerhin, auch dieses Gespräch beendeten wir mit der Maßgabe: “Wir konzentrieren uns jetzt auf das Thema Bildung und wünschen uns gegenseitig ein wundervolles Festival”.

Man machte uns also den Vorwurf das Festival zu stören und durch die von uns wahrgenommene wissenschaftskritische Haltung den Code of Conduct unterlaufen zu haben.

Nun dachten wir, alles sei gut.

Am nächsten Morgen

… kam jedoch wieder eine Truppe dieser Leute auf uns zu und sagte sie würden uns jetzt den Platzverweis aussprechen und uns des Festivals verweisen, ohne eine weitere Begründungen und wieder einmal “ohne Diskussion”. Wir hätten 2 Stunden Zeit, unsere Sachen zu packen, und sowohl Festival als auch Camp zu verlassen.

Unsere Kinder waren in heller Aufregung, denn sie hatten gerade Freundschaften geschlossen, waren dabei miteinander zu spielen und die Angebote  wahrzunehmen, die dort zu finden waren. Sie waren zu Tränen enttäuscht, zum Teil deprimiert, verängstigt und legten sich mit Bauchschmerzen in ihre Zelte. Besonders schienen sie von der Aggression der Veranstalter beeindruckt.

Daraufhin versuchten wir ein weiteres Mal, mit den Veranstaltern in Kontakt zu treten, um aufzuklären, was zwischen Freitag-Nacht und Samstag-Morgen zu dieser veränderten Entscheidung geführt hätte. Ein Junger Mann in einem Antifa-Hoodie erklärte uns, dass bereits der Umstand, am Eingang des Festivalgeländes zu stehen, als Aggression gewertet würde.

Bildungsfest?

Mittlerweile verdichtete sich der Eindruck, dass das Festival von einer links-autonomen Szene geführt wurde und die ganz andere Ansichten zu verfolgen schienen, als ein offenes Bildungsfest zu veranstalten.

Wir waren nicht allein schockiert. Im Anschluss an die Entscheidung dieses Komitees, kamen viele Besucher dieser Veranstaltung auf uns zu drückten uns und ihr Mitgefühl aus. Sie hatten uns kennengelernt und sie hatten verstanden, dass wir nicht hier sind, um theoretische Auffassung zu irgendwelchen historischen oder sonstigen Fragen zu klären, sondern, dass wir ganz praktisch, liebevoll und ehrlich mit uns selbst, mit unseren Kindern und unserer Bildung umgehen wollen. Das schien aber nicht die Ausrichtung der Veranstalter zu sein.

Später erfuhren wir, dass die Veranstalter von der Hauptbühne verkündet hätten, wir seien wegen Führung faschistischer Inhalte des Festivals verwiesen worden. Das geht dann doch einen entschiedenen Schritt zu weit. Dagegen werden wir uns wehren, und das nicht allein zu unserem eigenen Schutz, sondern auch zur Aufrechterhaltung einer menschlichen Freiheitskultur.

Unser Fazit

Wir werden das Septré in Zukunft nicht mehr als Veranstaltung für Bildung betrachten, sondern als eine Veranstaltung für linksradikales Gedankengut. Daher werden wir daran nicht mehr teilnehmen, es sei denn, hier wird eine gründliche Korrektur in der Führung vorgenommen. Schade, denn dass Thema “neue Bildung” ist wichtig und hat so etwas nicht verdient, ganz im Gegenteil: wir brauchen neue Ansätze in der Bildung und dafür eine sehr offene und ehrliche Auseinandersetzung.

Unser besonderes Mitgefühl und unser Dank gilt all denjenigen, die sich wirklich zum Wohl der Bildung für dieses Festival engagiert haben.

Nachbetrachtung

Nach dem Besuch im Septré haben wir noch eine andere Gemeinschaft in Brandenburg besucht. Diese war uns von anderen Besuchern des Festivals empfohlen worden. Wir fanden uns auf einem liebevoll gestalteten Gelände wieder und erfuhren, dass das Thema Links-Rechts in ihrer Region eine besondere Schärfe habe. Sie müssten zuweilen um die Sicherheit ihrer Kinder  fürchten, weil dort “Rechte” offen mit Gewalt drohen.

Wir sind in einigen Städten unterwegs gewesen und haben solche “Rechten” gesehen. Diese Auseinandersetzung scheint an diesen Orten anders erlebt zu werden als bei uns. Oder lebe ich einfach in meiner Blase?

Nichtsdestotrotz: Ich lege Wert auf das Recht der freien Rede. Sie ist Grundlage für jeden Diskurs und jede gesellschaftliche und gemeinschaftliche Entwicklung. Also werde ich mir auch in Zukunft den Mund nicht verbieten lassen. Ich bin damit aufgewachsen, dass bestimmte Themen in unserer Welt tabu sind, auch wenn wir das Recht auf freie Meinungsäußerung einmal im Grundgesetz stehen hatten. Ein Gesetz erhält dadurch Wirksamkeit in dem es gelebt wird. Wenn wir unsere Meinung nicht mehr kundtun können, wenn wir nicht mehr das Gefühl haben gehört zu werden, dann ist der Faschismus jetzt schon Realität. Freiheit wird immer von denen erstritten, die sie nutzen.

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